Widerstand gegen Windparks in Deutschland: 3’000 Meter Abstand gefordert

Berliner Morgenpost, 11. Dezember 2011, von Regina Köhler und Gudrun Mallwitz

Streit über Windparks spaltet Brandenburg

Foto: Massimo Rodari

Der Bau von immer mehr Windrädern sorgt in vielen Brandenbuger Dörfern für Ärger. Während die einen ihre Heimat vor dem Lärm der lauten Anlagen schützen wollen, sehen die anderen nur das Geld, das sie als Grundstücksbesitzer verdienen können.

Grit Rehmann-Kuhl, Katrin Malecki und Silke Wagner haben kaum mehr Zeit, seitdem sie Anfang des Jahres eine Initiative gegen Windkraftanlagen gegründet haben. Die Wiesenhagenerinnen müssen Flyer drucken, Protestplakate malen, Sitzungen besuchen und den anderen im Dorf immer wieder erklären, warum sie mit dem Ausbau der Windkraft so ihre Probleme haben. Die Arbeitsbelastung finden sie nicht weiter schlimm. Schwer sei es hingegen, mit den Anfeindungen dort zu leben.

Das Dorf mit seinen rund 300 Einwohnern im Landkreis Teltow-Fläming ist zerstritten. Während nicht nur die drei Frauen befürchten, dass die in Wiesenhagen geplanten Windräder viel zu dicht an den Wohnhäusern gebaut werden könnten, sehen andere vor allem das Geld, dass ihnen Windkraftbetreiber bereits versprochen haben – weil es ihr Land ist, auf dem die Räder stehen sollen.

Pro Windrad ist von bis zu 30.000 Euro Pachteinnahmen im Jahr für die Grundstücksbesitzer die Rede. Es sind solche Versprechen, die etliche Dorfbewohner dazu verleitet haben, sich vorbehaltlos auf die Seite möglicher Windkraftanlagenbetreiber zu stellen. Damit haben sie die Atmosphäre im Dorf vergiftet. Bisher sind die Menschen hier gut miteinander ausgekommen. Von normalen Streitigkeiten abgesehen, haben sie immer versucht, zusammenzuhalten. Diese Zeit ist nun offenbar vorbei, das friedliche Miteinander scheint nachhaltig gestört. Doch Wiesenhagen ist kein Einzelfall. Der Streit über die Windparks entzweit viele Dorfbewohner im Land Brandenburg.

BETREIBER HABEN NEUE STRATEGIEN

Denn die Braunkohle will bis auf diejenigen, die mit ihr in der Lausitz arbeiten und von ihr leben, keiner mehr haben. Allein die beiden Braunkohlekraftwerke in Jänschwalde und Schwarze Pumpe (beide Spree-Neiße) blasen jährlich 36 Millionen Tonnen des Treibhausgases CO2 in die Luft. Geht es aber um Alternativen wie die Energiegewinnung durch Windkraftparks, sagen viele: Wunderbar, aber bitte nicht vor meiner Haustür.

Die Zeiten des kategorischen Widerstands scheinen dennoch vorbei zu sein. Der Grund ist nicht nur ein neues Klima- und Umweltbewusstsein. In der Uckermark protestierte eine Bürgerinitiative Mitte der 90er-Jahre so lange, bis ihre Vertreter im Kreistag gehört wurden.

Mittlerweile ist es ruhiger geworden. Die Windparkbetreiber haben neue Strategien gegen den wachsenden Widerstand entwickelt. Sie ziehen wie Drückerkolonnen durchs Land und versuchen, Vorverträge für ihre Windräder mit Bauern und Landbesitzern abzuschließen. Und das, bevor konkrete Flächen für die Aufstellung der Windkraftanlagen festgelegt sind. So war es auch in Wiesenhagen. 2010 besuchten Herren mit Aktenkoffern und freundlichem Lächeln etliche Dorfbewohner. Sie könnten viel Geld verdienen, wenn sie ihr Land für den Windkraftpark zur Verfügung stellen, versprachen sie. Die Herren hatten sich Zugang zu den Grundbüchern verschafft und wussten genau, wem welches Stück Acker, Wiese oder Wald gehört. Auch über mögliche Vogelflugstrecken, Biotope und Naturschutzgebiete waren sie informiert. So kamen sie zu dem Schluss, dass nur ein Waldgebiet, unmittelbar am Dorf gelegen, für die Aufstellung von Windrädern infrage kommt.

Für Grit Rehmann-Kuhl ist klar, dass der Streit über den Windpark noch lange dauern wird. Ein Ende sei nicht abzusehen, egal wie die Sache ausgeht, sagt sie. „Werden die Windräder gebaut, haben die Gegner das Nachsehen. Werden sie nicht gebaut, fühlen sich all jene betrogen, denen viel Geld dafür angeboten wurde.“ Dabei sind Grit Rehmann-Kuhl und ihre Mitstreiterinnen nicht grundsätzlich gegen den Windpark vor ihrem Dorf. Sie wollen nur, dass die verantwortlichen Politiker sich nicht von umtriebigen Windkraftinvestoren vereinnahmen lassen.

„Es muss unbedingt noch einmal geprüft werden, ob tatsächlich Waldflächen für den Windpark infrage kommen“, fordert Rehmann-Kuhl. Außerdem müsse festgelegt werden, dass die Wind erzeugenden Kolosse mindestens 3000 Meter von den Wohnhäusern entfernt aufgestellt werden. Laut brandenburgischem Umweltministerium gibt es diesbezüglich aber keine klare rechtliche Grundlage. Allerdings seien allein aus Lärmschutzgründe um die 1000 Meter Abstand zum nächsten Wohngebiet für die künftige Anlagengeneration mit hoher elektrischer Leistung nötig, so das Ministerium.

Auch in der Gemeinde Prötzel in Märkisch-Oderland sorgt die Windkraft für Streit. Am Ortsrand drehen sich hier bereits 40 Windräder. Nun soll ein neuer Windpark helfen, das so dringend benötigte Geld in das hoch verschuldete Dorf zu bringen. Denn dieses Mal wollen die Bürger die Konditionen bestimmen. Lange wurde diskutiert und gestritten, ehe die Gemeindevertreter beschlossen, eine kommunale Gesellschaft zu gründen. Sie soll nun mit Windkraftbetreibern verhandeln. Die Ausschreibung läuft bereits.

ANLAGEN WERDEN MODERNISIERT

Die brandenburgische Landesregierung unter Matthias Platzeck (SPD) will den Anteil der erneuerbaren Energien von der Wind- über die Solarenergie, Biomasse und Geothermie bis zum Jahr 2020 auf 20 Prozent am Primärenergieverbrauch steigern. Als die CDU in der einst rot-schwarzen Koalition noch den Wirtschaftsminister stellte, war sie auch für die Ausweitung der Windparks. In der Opposition ist sie mittlerweile dagegen – trotz des unter Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) beschlossenen Atomausstiegs. Die derzeitige rot-rote Regierung in Brandenburg aber forciert den Ausbau der Windkraftanlagen. Sie will ein Vorzeigebundesland der alternativen Energiegewinnung werden. Ihr erklärtes Ziel ist es, bis 2020 die derzeit jährlich erzeugte Leistung aus Windkraftanlagen auf rund 7500 Megawatt zu verdoppeln. Dabei setzt sie nicht nur auf die Ausweisung neuer Parks, sondern auch auf das sogenannte Repowering: Bestehende Anlagen werden modernisiert und bringen mehr Leistung.

Platzeck beobachtet die Widerstände im Land seit Jahren. Er fordert „mehr Toleranz“ im Umgang mit neuen Energietechniken. Einige Brandenburger wollten keine weiteren Windräder, Biogasanlagen „stinken ihnen buchstäblich“.

In Brandenburg sind zurzeit 2920 Windkraftanlagen im Betrieb, 237 weitere sind genehmigt. Momentan laufen laut Wirtschaftsministerium zudem Anträge für die Modernisierung von elf Anlagen, die durch neue Technik künftig mehr Leistung erbringen sollen. Ein Superlativ ist genehmigt: das weltstärkste Windkraftwerk wird am südbrandenburgischen Lausitzring gebaut. Es soll noch in diesem Jahr in Betrieb gehen und 18000 Haushalte mit Strom versorgen.

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  1. am 20. Februar 2013 um 19:11