Der Mythos der „kleinen Schritte“

Ein Buch, das jedem den notwendingen Wandel verständlich macht

David JC MacKay ist der Autor des beliebten Buches „Sustainable Energy – without the hot air“. Die deutsche Übersetzung „Nachhaltige Energiegewinnung – ohne die heisse Luft“ sollte jedem Politiker der Schweiz als Pflichtstoff neben das Nachttischchen gelegt werden. Es erklärt völlig emotionslos, wie sich das mit der erneuerbaren Energie wirklich verhält. Die Lektüre bringt jeden normal denkenden Menschen zum grübeln. Grübeln über die verworrene Situation in der wir uns in Europa befinden, weil Politiker und der Durchschnittsbürger keine Ahnung haben, wie Energie verbraucht, geschweige denn, wie sie produziert wird und noch weniger, wie sich das Ganze zusammen auf unser Leben auswirkt. Eine Erkenntnis daraus ist, das die kleinen Schritte (jedes Lüftchen mit einem Windrad nutzen, jedes Bächlein stauen und daraus Strom pressen, jede Trinkwasserleitung noch mit einer Pelton-Turbine ausstatten) auch nur eine kleine Wirkung haben. Hier ein Muster der Essenz dieses Buches:

Wir sollten uns keine Illusionen machen. Um unser Ziel, den Ausstieg aus den fossilen Brennstoffen, zu erreichen, müssen unsere Reduktionen im Verbrauch und unsere Zuwächse im Angebot groß sein. Lassen Sie sich nicht fehlleiten vom Mythos „Jeder kleine Schritt zählt“. Wenn jeder einen kleinen Schritt macht, werden wir auch nur einen kleinen Schritt vorwärtskommen. Wir müssen viel tun. Was erforderlich ist, sind große Veränderungen im Verbrauch und in der Versorgung.

Grosse Veränderungen sind nötig – auch in der Schweiz

Zuerst muss man den Grünen hierzulande mal klar machen, was Effizienz heisst. Der Aufwand nämlich, den man hier betreiben will, um diese ja offenbar nicht sehr sinnvollen kleinen Schritte durchzuführen, sind alles andere als effizient. Konkret ist es einfach nicht sinnvoll, CHF 5.5 Mio in ein im Mittelland völlig unpassendes Windrad zu stecken, das auf einem weit herum sichtbaren Hügel steht, wenn mit dem gleichen Geld ein Vielfaches an Wirkung realisiert werden könnte. Insbesondere, wenn solche Investitionen nur deshalb getätigt werden, wenn der Staat diesen Unsinn auch noch massiv subventioniert.

15’000 Liter Diesel nur für ein Windrad

Auf dem betroffenen Heitersberg – hier gibt es so ein Projekt, dass bei vielen Leuten als wichtiges „Signal für den bewussten Umgang mit Energie“ verstanden wird – muss man für die Aushub- und Transportfahrzeuge (Bagger, Schwertransporte, Riesenkranen, Pneulader usw.) einen Dieselverbrauch von rund 15’000 Litern veranschlagen. Die Bauteile werden mit mehreren Schwertransportern unter starker Behinderung des Privatverkehrs von Norddeutschland bis hierher gekarrt. Das lokale Strassennetz erfährt massive Schäden durch die schwergewichtigen Fahrzeuge, wo der Strassendruck eines einzigen Rades schon mal 20 Tonnen (auf einen Achtel m2!) betragen kann. Während Wochen fahren diese Schwergewichte der Strasse rauschend und brummend durch ein Dörfchen mit gerade mal 100 Einwohnern, verschwinden dann im Naherholungsgebiet auf den Wiesen des Heitersbergs, wo die Feldwege so schwach sind, dass man extra ein temporäres Fundament aufschütten muss, damit die Fahrzeuge nicht steckenbleiben. Alles nur deshalb, weil es tatsächlich Leute gibt, die damit ein „Signal für den bewussten Umgang mit Energie“ setzen wollen. Das Signal dürfte nicht von allen gleich verstanden werden.

Mit 5m/s Wind für eine bessere Welt

Wenn man mit Mitarbeitern der grossen Windradhersteller spricht, lassen diese schon mal schmunzelnd durchblicken, dass man die Schweizer nicht ganz verstehen kann. Mit 5 oder 6m/s Wind ein topmodernes Windrad aufzustellen, das eigentlich für eine mittlere Windgeschwindigkeit von 8.5m/s Wind gebaut wurde, ist aus der Sicht eines nach dem Effizienzprinzip arbeitenden Ingenieurs schlecht denkbar. Würden Wasser- oder Kernkraftwerke nach solchen Kriterien gebaut, würden ALLE die Köpfe schütteln und die Planer solcher Projekte müssten sich scharfer Kritik erwehren.

Naturschäden sind ok, wenn man damit die Natur schützt, oder?

Bei grüner Energieproduktion scheint alles anders. Die paar Fledermäuse, deren Lungen lustig platzend davonfliegen oder die schwungvoll auf den Boden spritzenden Vögel lassen selbst Mitglieder der Pro Natura kalt. Es geht um die Rettung der Welt! Da muss man doch nicht so pingelig sein und ein paar geschundene Tiere über eine grosse Sache stellen!

Das wäre aus menschlich-unmenschlicher Sicht ja noch nachvollziehbar, wenn es sich mit der Rettung der Welt wirklich so verhalten würde. Aber Windräder in der windarmen Schweiz und Rinnsale als Wasserkraftwerklein sind eben nicht wirklich das, was notwendig wäre, um die Energiewende herbeizuführen.

Die wirklich grossen Dinge

Der grösste Teil unseres Gesamtenergieverbrauchs geht auf Kosten der Gebäudebeheizung. Hier muss man ansetzen, um die grossen Schritte zu tun. Der Kanton Aargau hat ein modernes Energiegesetz aufgegleist, dass unter anderem genau hier ansetzt. Für Gebäudeisolation werden denn auch einmalige staatliche Zuschüsse verteilt. Das Konzept „Energie einsparen“ bedeutet auf der ausführenden Seite auch „Energieverlust verhindern“. Nicht benötigte Energie bedeutet aber auch weniger CO2 und verhindert den Energieverlust durch Transport oder Speicherung.

Ein grosser Anteil des Energieverbrauchs kommt auch auf unsere Mobilität. Auch wenn man mit öffentlichen Verkehrsmitteln total grün unterwegs ist, man benötigt dafür trotzdem Energie. Mit dem privaten Fahrzeug erst recht. Jede verhinderte oder optimierte Mobilität heisst: Energie eingespart! Der öffentliche Verkehr könnte aber nur Energie einsparen, wenn die Fahrpläne nicht verdichtet – sondern im Gegenteil stark ausgedünnt würden. Ist es denn wirklich notwendig, dass jede Viertelstunde ein halbleerer Bus fährt, wenn der gleiche Bus nach einer halben Stunde zu 2/3 besetzt wäre? Das fünfplätzige Auto fährt auch effizienter, wenn nicht nur eine Person damit zur Arbeit fährt.

Mit dem Preis EINES Windrades auf dem Heitersberg könnte man 180 Dächer mit je 16 m2 Solarpanels bestücken (Wärmegewinnung aus Sonnenlicht). Diese Warmwassergewinnung für Heizung und Warmwasserverbrauch würde damit den gesamten Stromverbrauch des Boilers eliminieren (in unserem Haus ist das immerhin 2 MWh pro Jahr). Praktisch wartungsfrei und mit einer Lebenserwartung von 40 Jahren notabene! Ein Windrad dreht und steht gerade mal 25 Jahre und benötigt dafür alle 3 Monate einen Service! Die Effizienz eines Windrades erreicht in der Schweiz gerade mal 15%. Diejenige einer Solaranlage (Warmwasser) mindestens 70%.

Was würden sie wählen? Bezahlen tun sie nämlich Beides. Die Windkraftanlage mit dem Strompreis. Die Solaranlage gehört ihnen aber von Beginn weg selber. Und diese macht weder Lärm noch Schattenwurf, noch tötet sie auch nur einen einzigen Vogel!

Grosse Dinge sind auch der Ausbau unserer Speicherseen – das Juwel unserer Stromversorgung. Denn dafür beneidet uns ganz Europa! Sind ein paar seltene Arvenbäumchen wirklich wichtiger, als die Landschaft des Jura oder des gesamten Mittellandes?

Dezentrale Stromversorgung – Die Anleitung zum Bau eines ineffizienten Systems

Wie schon gesagt, kleine Schritte lassen uns auch nur ein klein wenig weiterkommen. Und sie sind per Definition ineffizient. Dezentral produzierte Energie wird durch das Stromnetz wieder „zentralisiert“. Alle Vorteile der Produktion vor Ort werden durch das Netz wieder aufgehoben. Immense technische und logistische Vorkehrungen müssen getroffen werden, damit so ein Netzwerk stabil betrieben werden kann. Das ist eine Freude für alle, die an diesem Netz bauen dürfen. Diejenigen, die das bezahlen, dürften sich weniger freuen. So ein Netz ist nicht bezahlbar. Wenn es mit viel Aufwand gebaut wurde, kommen schon die ersten Wartungsarbeiten, die sich logischerweise ohne Unterbruch aneinanderreihen und die Kosten trotz Amortisation hoch halten. Mit dieser instrumentalisierten Verteuerung des Stroms wollen raffinierte aber kurzsichtige Politiker ein Umdenken herbeizwingen. Den Stromverbrauch über den Preis zu reduzieren ist typisch zentralistisches planwirtschaftliches Denken der linken und grünen Theoretiker. Einzelne bürgerliche Politiker machen blind mit, weil sie sich damit ein schönes grünes Mäntelchen anziehen können – die typische Stimmenfängerei der politischen Pragmatiker!

In der Praxis ist es dann aber so, dass sich der Stromkunde nach besseren Lösungen umsieht und sie spätestens dann finden wird, wenn ein tauglicher Stromspeicher für Einzelgebäude erhältlich ist. Denn es ist jetzt schon theoretisch möglich, mit Photovoltaik und Solarwärme ein Einzelhaus Energieautark zu betreiben. Zur Praxis fehlt nur noch der intensiv erforschte chemische Speicher für den überschüssigen Strom. Die grossen, teuren „Smart Grids“ werden dann wegen extremer Überkapazitäten sinnlos in der Landschaft herumstehen. Den Volkswirtschaften kosten sie beim Abbruch noch einmal ein hübsches Sümmchen.

Ein Wunsch an die Politiker

Also, wenn sie eine Politikerin oder ein Politiker sind, die/der wirklich etwas mehr als warme Luft bewegen will: Machen sie sich doch bitte erst einmal schlau und seien sie skeptisch, wenn sie wieder mal hören, dass jemand ein „Signal“ oder ein „Zeichen“ setzen will. Achten sie auch auf das Wort „Vision“. Es könnte wieder einmal die Falsche gewesen sein.

Ein Wunsch an die Mitbevölkerung

Achten sie auf die gleichen Schalmeienklänge wie die Politiker – und lesen sie doch mal ein Buch, dass sie hundert mal weiter bringt als nur eine einzige Sendung „Wetten – dass?“

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1 Trackback von "Der Mythos der „kleinen Schritte“"

  1. am 15. Dezember 2010 um 11:48