Philipp Roch, ein moderater Kritiker von Windkraftwerken in der Schweiz und ehemalige Direktor der Bundesamts für Umwelt, ist der Autor des Buchs „Eoliennes, des moulins à vent? Un chemin entre refus et démesure„. Er erklärt darin unter anderem die Tatsache, dass für den Ersatz eines Kernkraftwerks der Grössenordnung Leibstadt wesentlich mehr Windkraftanlagen nötig sind, als dies naiverweise von den Ökofundamentalisten wie Luc Recordon und Rudolf Rechsteiner propagiert wird.
Im Bericht des „Le Matin“ vom 26. April 2011 wird dieses Thema wieder einmal diskutiert. Dabei fühlt sich Luc Recordon, selbsternannter Spezialist für Windkraft in der Schweiz dazu berufen, eine grossspurige Korrektur anzubringen:
Zitat (aus dem Französischen übersetzt):
Roch hat wenig Ahnung über die Technik von Windkraft! Er vertritt eine extremistische Position für die Landschaft und fixiert sich auf die Windenergie. Er könnte aber genau so gut die Stromleitungen kritisieren, die weit unansehnlicher sind als Windkraftanlagen! Umweltschützer, die seit Jahrzehnten für jede neue Technologie kämpfen und dafür kritisiert werden, erhalten keine neuen Informationen des ehemaligen Direktors des Bundesamts für Umwelt.
Herr Roch kann nicht rechnen!
Luc Recordon glaubt, es sei falsch die kleineren Windkraftmodelle als Referenz zu nehmen, die noch lediglich 2 MW Leistung aufweisen. Er meint, die modernsten Anlagen würden heute immerhin eine Leistung von 7,5 MW bieten. Dabei ist es ihm und seinen grünen Gefährten gleichgültig, dass diese Monster eine Gesamthöhe von annähernd 200 Metern und einen Rotordurchmesser von sagenhaften 127 Metern aufweisen. Ein totaler Landschaftskiller mit anderen Worten! Eine einzige Anlage wäre über das halbe Mittelland sichtbar.
Die dummen, immergleichen Überlegungsfehler der Grünen
Die Rechnung „Windkraftleistung = Kernkraftleistung“ wird bis zum Exzess repetiert. Dabei kann die Windkraftleistung mit derjenigen eines Kernkrafts nicht mal im Ansatz verglichen werden. Während ein Kernkraft die Leistung kontinuierlich und zuverlässig an das Stromnetz abgibt, kann dies unter den schweizerischen Flautenbedingungen kein Windrad auch nur für 10% seiner Laufzeit garantieren. Von der Steuerbarkeit muss man schon gar nicht zu diskutieren beginnen. Windkraft ist vielleicht 10% steuerbar, Kernkraft ist es aber praktisch zu 100%. Zwei entscheidende Unterschiede, die man bei der Berechnung endlich berücksichtigen sollte. Die Grünen haben davon noch nichts bemerkt.
Hier die naive Rechnung des Luc Recordon:
Um Leibstadt mit Windkraft ersetzen zu können, benötigt man 624 Windräder an guten Standorten. Mit je 7,5 MW während 2’000 Vollaststunden. Mit den alten Modellen, die eine Leistung von 2 MW aufweisen, benötigen wir 3902 Stück, da sie lediglich während 1’200 Vollaststunden produzieren.
Erster Denkfehler
Die Nennleistung eines Windrades wird nur ganz selten erreicht. Dann nämlich, wenn genügend Wind vorhanden ist. In der Regel ist das so um die 12m/s auf Nabenhöhe. Eine Windkraftanlage in der Schweiz erreicht diesen Wert an einem der wenigen „guten Standorte“ etwa alle 6 Tage. Für die Tage vorher und nachher muss die Leistung um die 0-10% der Nennleistung dahindümpeln. Schrecklich aussehen tut das Monster aber während dem ganzen Jahr ohne Unterbruch. Ein Verhältnis der Nennleistung von 1:1 einer WKA zu einem Kernkraftwerk ist nicht annähernd erreichbar. Selbst wenn es genug Wind hat, kann die Netzleitststelle, wenn sie die Leistung überhaupt detektiert, nicht darauf bauen, dass die gleiche Leistung fünf Minuten später noch geliefert wird.
Ganz im Gegensatz zur Leistung eines konventionellen Kraftwerks. Sei es nun mit Gas- Wasser- oder Atomkraft betrieben. Hier ist die Leistung zuverlässig und steuerbar. Um die Leistung eines KKW Leibstadt garantieren zu können, müsste die erwartete Mindestleistung der Windkraft über ein grosses Gebiet verteilt als Basis der Berechnung gelten. Das ist in Deutschland ein dramatisch kleiner Anteil von lediglich 2% der installierten Windkraftleistung. Bei 25’177 MW wie aktuell in Deutschland, ist das ein Tropfen von 500 MW, die wirklich als zuverlässig gelten können. Die realistische Rechnung, wie das KKW Leibstadt mit Windkraft ersetzt werden könnte, müsste ganz anders aussehen. Wir nehmen dazu die offiziell erhältlichen Daten:
- Jahresproduktion Leibstadt: 9385 GWh
- Jahresproduktion Enercon 126: 17 GWh (nach Referenzliste EEG)
- Nettoleistung Leibstadt: 1190 MW (Betriebsenergieaufwand berücksichtigt)
- Nettoleistung Enercon 126: 7.5 MW (Betriebsenergieaufwand nicht berücksichtigt)
Nach den hervorragend guten Windverhältnissen in Deutschland gemessen (wesentlich mehr Wind als in der Schweiz) müssten also 9385 / 17 = 552 Windkraftanlagen des grössten momentan verfügbaren Typs aufgestellt werden. Wie Luc Recordon auf seine 624 Stück kommt, ist uns leider nicht bekannt. Vielleicht liegt der Fehler darin, dass Luc Recordon den Unterschied zwischen Stromleistung und Stromproduktion noch nicht ganz richtig verstanden hat. Wer nämlich die Strommenge und die Stromleistung einander gleichstellt, vergleicht Äpfel mit Rosinen. Aber in der Regel sieht der Vergleich der Strommenge für die Windkraft auf dem Papier wesentlich besser aus als es in Wirklichkeit ist.
Für die gleiche Strommenge aber bei ungleicher Zuverlässigkeit ohne die geringste Möglichkeit der Steuerung ist es demnach vollkommen korrekt auszusagen, dass wir Leibstadt mit 552 Monsterwindrädern ersetzen können. Das ist allerdings eine sehr oberflächliche Betrachtung.
Wie wir oben gelesen haben, wäre es jetzt ein weiterer Denkfehler, wenn man hier mit Rechnen aufhören würde. Berücksichtigen wir nun die Verfügbarkeit und Zuverlässigkeit für die eigentliche Stromversorgung (für das Stromnetz DIE entscheidenden Faktoren), dann müssen wir weiterrechnen:
552 Windkraftwerke des Typs Enercon 126 liefern in Deutschland also die vergleichbare Strommenge, wie das KKW Leibstadt. Wir dürfen hier nicht vergessen, dass wir in der Schweiz wesentlich schlechtere Windverhältnisse vorfinden, als in Deutschland. Wir berücksichtigen das bei folgender Rechnung der Einfachheit halber NICHT.
- Gesicherte Zuverlässigkeit und Verfügbarkeit Nennleistung KKW Leibstadt: 95%
- Gesicherte Zuverlässigkeit und Verfügbarkeit der Nennleistung Enercon 126: 2%
- Teilungsfaktor: 47,5
Zuverlässig vorhandene Stromleistung rund um die Uhr aus 552 Windkraftwerken der Monsterklasse:
- Gesicherter Leistungsanteil einer Enercon 126: 7.5 MW / 47,5 = 158 KW (Kilowatt)
- Gesicherter Leistungsanteil von 552 Enercon 126: 552 x 158 KW = 88’000 KW (88 Megawatt, MW)
Effektive Anzahl notwendiger Windkraftwerke mit 7,5 MW Leistung pro WKA für die vergleichbare Stromleistung rund um die Uhr:
- 1190 MW (Leibstadt) / 88 MW (Enercon 126) x 552 = 7’464 Windkraftanlagen Enercon 126
Um exakt die gleiche Stromqualität des KKW Leibstadt mit Windkraft zu ersetzen, müssen wir jeden vierten Quadratkilometer der Schweiz mit den besten und teuersten Windkraftanlagen bebauen. Es ist also ein extrem wichtiger Unterschied, ob wir über Strommenge (GWh) oder Stromleistung (GW) reden. Beim Kochen und heizen benötigen wir aber in erster Linie Leistung, nicht Menge. Photovoltaik liefert schon länger auf dem Dach eines Einfamilienhaus genug Strommenge für den jährlichen Stromverbrauch. Mit der erforderlichen Leistung auf Zeit happert es aber bedenklich. Kochen und Heizen ist damit nicht möglich. Warum? Weil das Wasser innerhalb einer nützlichen Zeit kochen soll. Dazu benötigen wir viel Leistung in wenig Zeit. Das Wasser wird nie kochen, wenn mit einer grossen Strommenge aber wenig Leistung gearbeitet werden muss. Es kocht auch nach 10 Jahren mit zu wenig Leistung nicht. Es bleibt lediglich „warm“!
Zweiter Denkfehler
Strommasten sind weniger hässlich als Windräder
Strommasten sind in der Regel nicht höher als 60 Meter. Sie sind in Gitterbauweise gebaut und lassen somit einen grossen Teil des Hintergrunds nicht einfach verschwinden. Wichtigstes Element ist aber, dass sich Strommasten NICHT drehen. Drehende Objekte werden durch unser Auge automatisch intensiver wahrgenommen. Windräder werfen zusätzlich zu den drehenden Rotoren einen bewegten Schatten in die Umgebung und lassen sie im Sekundentakt hell/dunkel aufblinken. Ausserdem ist es wohl unumstritten, dass Strommasten für die Stromverteilung absolut notwendig sind. Windräder aber nicht.
Dritter Denkfehler
… mit je 7,5 MW während 2’000 Vollaststunden. Mit den alten Modellen, die eine Leistung von 2 MW aufweisen, benötigen wir 3902 Stück, da sie lediglich während 1’200 Vollaststunden produzieren.
Luc Recordon weiss offensichtlich nicht, wie man Vollaststunden rechnet. Das geht nämlich so:
Jahresproduktion / Nennleistung
Rechnen wir also wieder einmal mit den Zahlen aus Deutschland:
- Windkraft 7.5 MW: 85’000 MWh / 7,5 / 5 = 2’266.6 Vollaststunden (Referenzliste EEG)
- Windkraft 2 MW: 30’000 MWh / 2 / 5 = 3’000 Vollaststunden (Referenzliste EEG)
In der Realität haben die 2 MW – Anlagen also eindeutig die bessere Anzahl Vollaststunden. Da wir in der Schweiz über durchschnittlich 1’040 Vollaststunden haben, dürfte sich die Anzahl die Menge für diese Riesenwindkrafwerke auf bescheidene 800 Vollaststunden summieren.
Vierter Denkfehler
Er wurde bisher von Luc Recordon im le Matin noch nicht propagiert. Natürlich kann mit einer funktionierenden Speicherung des Windstroms eine starke Verbesserung der schlechten Situation herbeigeredet werden. In der schönen grauen Theorie, worin die Grünen alle mindestens den Titel eines Universitätsprofessors beanspruchen dürfen, sieht das wunderbar aus. Hauptsächlich weil man gerne daran glaubt. Drei Punkte sind aber noch nicht wirklich in der Realität angekommen:
Pumpspeicher: Kein Stromerzeuger kauft Windstrom für 20 Rappen ein, wenn er den gleichen Strom entweder mit Finanzbonus (Es wird für die Abhnahme etwas bezahlt) oder für maximal 2.6 Rappen pro KWh im freien Strommarkt erhalten kann.
Andere Speicher: Vanadium Redox Flussbatterien sind noch nicht einsatzbereit und benötigen viel Raum. Die grosse Selbstentladung ist noch nicht gelöst (wichtig für lange Windflauten). Chemische Speicher wie Wasserstoff sind ebenfalls noch weit entfernt von einer kommerziellen oder industriellen Nutzung.
Management im Grid: Da die meisten Windkraftwerke unterhalb einer kritischen Schwelle von 10 MW Leistung ins Netz einspeisen, wird das Grid Management darauf nicht mit einer Optimierung reagieren können. Weil das Damoklesschwert der Unzuverlässigkeit immer über dem Haupt eines auf Zuverlässigkeit aufbauenden Stromnetzes hängt, kann wenig Windstrom gar keine Wirkung entfalten.
Fünfter Denkfehler
Die „Guten Standorte„. Davon hat es nach dem Konzept Windenergie Schweiz gerade mal 12 in der Schweiz. Man müsste die von Luc Recordon bevorzugten Winkdkraftmonster also auf diese Standorte konzentrieren, um keine Komplettüberbauung der schweizer Landschaften zu erhalten. An jedem Standort sind das demnach 52 Monsterräder pro „gutem Standort“, wenn wir die Angaben von Luc berücksichtigen und immerhin über 622 gleiche Monsterturbinen pro „gutem Standort“, wenn wir unsere nachvollziehbaren realistischen Zahlen als Grundlage benützen.
Hat jemand den Film „Matto regiert“ gesehen? Man sollte das unbedingt tun, um die Denkweise der Grünen besser verstehen zu können. Denn damit hätten wir erst EIN Kernkkraftwerk ersetzt …
Ach ja – noch eine Bemerkung zu den 12 „guten Standorten“ im Konzept Windenergie Schweiz: Das Konzept wurde mehrheitlich von dogmatischen Kernkraftgegnern formuliert. In der Realität finden wir EINEN guten Standort in der Schweiz, wenn man die Kriterien aus Deutschland gelten lässt: Die Talenge des Rhonetals bei Collonges/Martigny. Und auch da nur, weil die geographischen Umstände EINMALIG sind.
Auch Greenpeace Schweiz muss Angaben korrigieren
Im Frühjar 2011 hat sich Greenpeace Schweiz zur Aussage verstiegen, jedes Windkraftwerk könne 6’000 Haushaltungen versorgen. Diese absolut lächerlich dumme Aussage, die auf Null nachvollziehbaren Zahlen beruht und darüber hinaus die obigen Aussagen von Luc Recordon noch etwas dümmer aussehen lässt, musste letzte Woche nach einer Intervention der windkraftkritischen Organisation „Paysage Libre – Freie Landschaft“ zurückgenommen werden. Es sind bisher allerdings keine korrigierten realistischen Zahlen von Greenpeace bekannt. Man hält damit gerne zurück, weil die Realität so unglaublich hart mit den grünen Luftschlössern umgeht. Der Vertreter von Greenpeace schreibt:
Il ressort pourtant clairement de ce calcul que le chiffre de 6’000 ménages et trop optimiste. Nous avons donc demandé à nos collaborateurs du marketing de suspendre la parution de ces annonces et de les corriger. Ces annonces avec ce chiffre erroné ne devraient donc plus paraître dans la presse. Nous n’avions pas l’intention d’exagérer ce chiffre, mais avons fait une erreur de calcul.
Wollte man hier realistische Zahlen veröffentlichen, würde das so aussehen: Die momentan beste Leistung eines Windkraftwerks in der Schweiz beläuft sich auf ca. 5 GWh/a. Der Durchschnitt liegt für die Schweiz aber bei höchstens 2 GWh/a. Da ein Haushalt statistisch einen Verbrauch von 5.3 MWh/a aufweist, wären das also lediglich 377 Haushaltungen. Die Kaltschnäuzigkeit all jener Ideologen, die übertriebene Zahlen glauben und damit ernsthaft Energiepolitik betreiben wollen, ist ungeheuerlich! Diese Verbreitung von Falschaussagen hat offensichtlich System.
Luc Recordon abschliessend zur Frage, warum die Windkraftkritische Interpellation Forster durch die Windradlobby im Ständerat nicht ehrlich beantwortet werde:
Vos inquiétudes sont en partie légitimes, mais si mal documentées et si peu nuancées qu’elles perdent beaucoup de crédibilité. La pesée des intérêts entre les éoliennes et leurs effets secondaires mérite mieux; je m’y attache.
Die Umkehrung der Realität hat einen Namen: Grüne Energiepolitik