Frei nach Hans Christian Andersen, ein wenig verändert durch den Autor
Vor vielen Jahren lebte ein Kaiser, der so ungeheuer viel auf neue Energieformen hielt, daß er all sein Geld dafür ausgab, um sich bei der Bevölkerung recht grün und umweltfreundlich darzustellen. Er kümmerte sich nicht um seine Soldaten, kümmerte sich nicht um Theater und liebte es nicht, in den Wald zu fahren, außer um seine neuen Windräder zu zeigen. Er hatte ein Windrad auf jedem Hügel seines Landes, und ebenso wie man von einem König sagte, er ist im Rat, so sagte man hier immer: „Der Kaiser schaut seine Windräder an!“
In der großen Stadt, in der er wohnte, ging es sehr munter her. An jedem Tag kamen viele Fremde an, und eines Tages kamen auch zwei Betrüger, die gaben sich für Energiefachleute aus und sagten, daß sie das schönste Windrad, was man sich denken könne, zu bauen verstünden. Die Rotoren und der Turm seien nicht allein ungewöhnlich schön, sondern die Windräder, die derart gebaut wären, sollten die wunderbare Eigenschaft besitzen, daß sie für jeden Menschen unsichtbar seien, der nicht für sein Amt tauge oder der unverzeihlich dumm sei.
‚Das wäre ja ein prächtiges Windrad‘, dachte der Kaiser; wenn ich ein solches hätte, könnte ich ja dahinterkommen, welche Männer in meinem Reiche zu dem Amte, das sie haben, nicht taugen, ich könnte die Klugen von den Dummen unterscheiden! Ja, das Zeug muß sogleich für mich gebaut werden!‘ Er gab den beiden Betrügern viel Handgeld, damit sie ihre Arbeit beginnen sollten.
Diese stellten auch zwei Kräne auf, taten, als ob sie arbeiteten, aber sie hatten nicht das Geringste auf den Seilen. Trotzdem verlangten sie die feinsten Metalle und das prächtigste Gold, das steckten sie aber in ihre eigene Tasche und arbeiteten an den leeren Kränen bis spät in die Nacht hinein.
‚Nun möchte ich doch wissen, wie weit sie mit dem Zeuge sind!‘ dachte der Kaiser, aber es war ihm beklommen zumute, wenn er daran dachte, daß keiner, der dumm sei oder schlecht zu seinem Amte tauge, es sehen könne. Er glaubte zwar, daß er für sich selbst nichts zu fürchten brauche, aber er wollte doch erst einen andern senden, um zu sehen, wie es damit stehe. Alle Menschen in der ganzen Stadt wußten, welche besondere Kraft das Zeug habe, und alle waren begierig zu sehen, wie unbrauchbar oder dumm ihr Nachbar sei.
‚Ich will meinen alten, ehrlichen Minister zu den Energieberatern senden‘, dachte der Kaiser, er kann am besten beurteilen, wie das Windrad sich ausnimmt, denn er hat Verstand, und keiner versieht sein Amt besser als er!‘
Nun ging der alte, gute Minister zu dem Hügel, wo die zwei Betrüger standen und an den leeren Kränen arbeiteten. ‚Gott behüte uns!‘ dachte der alte Minister und riß die Augen auf. ‚Ich kann ja nichts erblicken!‘ Aber das sagte er nicht.
Beide Betrüger baten ihn näher zu treten und fragten, ob er den imposanten Anblick dieses den Hügel verzierenden Rotors erkenne. Dann zeigten sie auf den leeren Hügel, und der arme, alte Minister fuhr fort, die Augen aufzureißen, aber er konnte nichts sehen, denn es war nichts da. ‚Herr Gott‘, dachte er, sollte ich dumm sein? Das habe ich nie geglaubt, und das darf kein Mensch wissen! Sollte ich nicht zu meinem Amte taugen? Nein, es geht nicht an, daß ich erzähle, ich könne das Zeug nicht sehen!‘
„Nun, Sie sagen nichts dazu?“ fragte der einer von den Betrügern.
„Oh, es ist niedlich, ganz allerliebst!“ antwortete der alte Minister und sah durch seine Brille. „Diese Flügel und diese geschwungenen Formen! – Ja, ich werde dem Kaiser sagen, daß es mir sehr gefällt!“
„Nun, das freut uns!“ sagten beide Energiefachleute, und darauf benannten sie den Turm mit Namen und erklärten das Funktionieren des Rotors. Der alte Minister merkte gut auf, damit er dasselbe sagen könne, wenn er zum Kaiser zurückkomme, und das tat er auch.
Nun verlangten die Betrüger mehr Metall, mehr Kräne und mehr Gold zum Bauen. Sie steckten alles in ihre eigenen Taschen, auf den Kränen kam kein Teil, aber sie fuhren fort, wie bisher an dem leeren Hügel zu arbeiten.
Der Kaiser sandte bald wieder einen anderen tüchtigen Staatsmann hin, um zu sehen, wie es mit dem Bauen stehe und ob das Zeug bald fertig sei; es ging ihm aber gerade wie dem ersten, er guckte und guckte; weil aber außer dem Hügel und den Kränen nichts da war, so konnte er nichts sehen.
„Ist das nicht ein ganz besonders prächtiges und hübsches Stück Zeug?“ fragten die beiden Betrüger und zeigten und erklärten den schlanken Turm, der gar nicht da war.
‚Dumm bin ich nicht‘, dachte der Mann; es ist also mein gutes Amt, zu dem ich nicht tauge! Das wäre seltsam genug, aber das muß man sich nicht merken lassen!‘ Daher lobte er das Zeug, das er nicht sah, und versicherte ihnen seine Freude über die schönen Türme und die herrlichen Rotoren. „Ja, es ist ganz allerliebst!“ sagte er zum Kaiser.
Alle Menschen in der Stadt sprachen von dem prächtigen Zeug. Nun wollte der Kaiser es selbst sehen, während es noch im Bau sei. Mit einer ganzen Schar auserwählter Männer, unter denen auch die beiden ehrlichen Staatsmänner waren, die schon früher dagewesen, ging er zu den beiden listigen Betrügern hin, die nun aus allen Kräften bauten, aber ganz ohne Material.
„Ja, ist das nicht prächtig?“ sagten die beiden ehrlichen Staatsmänner. „Wollen Eure Majestät sehen, welch schönen Turm, welch wunderbare Kurven?“ und dann zeigten sie auf den leeren Hügel, denn sie glaubten, daß die andern das Zeug wohl sehen könnten.
‚Was!‘ dachte der Kaiser; ich sehe gar nichts! Das ist ja erschrecklich! Bin ich dumm? Tauge ich nicht dazu, Kaiser zu sein? Das wäre das Schrecklichste, was mir begegnen könnte.‘ „Oh, es ist sehr hübsch“, sagte er; „es hat meinen allerhöchsten Beifall!“ und er nickte zufrieden und betrachtete einen leeren Hügel; er wollte nicht sagen, daß er nichts sehen könne. Das ganze Gefolge, was er mit sich hatte, sah und sah, aber es bekam nicht mehr heraus als alle die andern, aber sie sagten gleich wie der Kaiser: „Oh, das ist hübsch!‘ und sie rieten ihm, dieses neue prächtige Windrad das erste Mal bei dem großen Feste, das bevorstand, einzuweihen.
„Es ist herrlich, niedlich, ausgezeichnet!“ ging es von Mund zu Mund, und man schien allerseits innig erfreut darüber. Der Kaiser verlieh jedem der Betrüger ein Ritterkreuz, um es in das Knopfloch zu hängen, und den Titel Hofberater.
Die ganze Nacht vor dem Morgen, an dem das Fest stattfinden sollte, waren die Betrüger auf und hatten sechzehn Lichte angezündet, damit man sie auch recht gut bei ihrer Arbeit beobachten konnte. Die Leute konnten sehen, daß sie stark beschäftigt waren, des Kaisers neues Windrad fertigzumachen. Sie taten, als ob sie das Zeug von den Haken nämen, sie schraubten in die Luft mit großen Werkzeugen, sie schweissten mit grossen Gesten und sagten zuletzt: „Sieh, nun ist das Windrad fertig!“
Der Kaiser mit seinen vornehmsten Beamten kam selbst, und beide Betrüger hoben den einen Arm in die Höhe, zeigten auf den leeren Hügel und sagten: „Seht, hier ist der Turm, hier ist der Rotor, hier ist der Strom!“ und so weiter. „Es ist so schön wie eine Wolke; man sollte glauben, es stehe nichts auf dem Hügeln, aber das ist gerade die Schönheit dabei!“
„Ja!“ sagten alle Beamten, aber sie konnten nichts sehen, denn es war nichts da.
„Belieben Eure Kaiserliche Majestät eine Ansprache zu halten?“, sagten die Betrüger.
Der Kaiser wandte sich mit einer grossen Geste zur Bevölkerung und die Betrüger stellten sich in wichtiger Pose neben ihn.
„Ei, wie gut es aussieht, wie herrlich es dreht!“ sagten alle. „Welche Schönheit, welche Wichtigkeit! Das ist so eine kostbare und wichtige Anlage!“ –
„Seht, es ist vollbracht!“ sagte der Kaiser. „Ist es nicht schön?“ und dann wendete er sich nochmals zu dem Windrad; denn es sollte scheinen, als ob er es recht betrachte.
Dann marschierte der Kaiser über den prächtig bebauten Hügel, und alle Menschen auf der Straße und in den Fenstern sprachen: „Wie ist des Kaisers neues Windrad unvergleichlich! Welche Erhabenheit der Technik! Wie schön es aussieht!“ Keiner wollte es sich merken lassen, daß er nichts sah; denn dann hätte er ja nicht zu seinem Amte getaugt oder wäre sehr dumm gewesen.
„Aber da ist ja gar nichts !“ sagte endlich ein kleines Kind. „Hört die Stimme der Unschuld!“ sagte der Vater; und der eine zischelte dem andern zu, was das Kind gesagt hatte.
„Aber da ist ja wirklich gar nichts!“ rief zuletzt das ganze Volk. Das ergriff den Kaiser, denn das Volk schien ihm recht zu haben, aber er dachte bei sich: ‚Nun muß ich aushalten.‘ Und die Staatsmänner gingen und bewunderten das Windrad, das gar nicht da war.
Anm. d. Autors: Unser Kaiser und seine Staatsmänner sehen bis heute nicht, dass sie Betrügern aufgesessen sind. Kein Wind, wenig Strom, viel verschenktes Gold aus dem Säckel der Stromkonsumenten. Und zu guter Letzt: Keine nachweisbare positive Wirkung für Natur, Mensch und Stromversorgung. Aber jeder hat Angst, der Erste zu sein, der die Wahrheit ausspricht. Er könnte ja dumm oder untauglich sein für das Amt!