Ein paar Hintergrundinformationen zur Tiefengeothermie

Auszug aus einem Interview mit Wolfgang Brüstle vom Freiburger Erdbebendienst

Veröffentlicht am  16.2.2007, www.badische-zeitung.de, amp

Die Tiefengeothermie bereitete bisher vor allem technische und finanzielle Probleme. Seit unter Basel die Erde gebebt hat, müssen derartige Geothermieprojekte auch mit seismischen Problemen rechnen. Denn in und um Basel hat der Boden stärker gewackelt als von den Fachleuten erwartet. Über die Ursachen dieser Beben und über die Folgerungen sprach Wulf Rüskamp mit dem Freiburger Erdbebenexperten Wolfgang Brüstle vom Landesamt für Geologie, Rohstoffe und Bergbau im Regierungspräsidium.

BZ: Herr Brüstle, hat Sie die Stärke der Beben, die die Basler Geothermiebohrung ausgelöst hat, überrascht?
Brüstle: Eigentlich nicht. Wir hatten zwar nicht erwartet, dass die Beben über die Magnitude 3,0 hinausgehen würden, und das gleich viermal. Aber wir haben es insgesamt für möglich gehalten.

BZ: Auch die Beben, die nach der Unterbrechung des Projekts Anfang Dezember auftraten?
Brüstle: Eingeschränkt auch die. Natürlich waren wir davon ausgegangen, dass man durch den Prozess der gesteuerten Stimulation des Gesteins die Bremse ziehen kann. Aber dass danach durch die Wirkung des Wassers in der Tiefe noch Beben ausgelöst werden, galt ebenfalls als möglich.

BZ: Was ist die Ursache der Basler Beben?
Brüstle: Es handelt sich um eine künstliche Auslösung von Erdbeben. Die eigentlichen Ursachen sind aber natürliche tektonische Spannungen im Tiefengestein. Und das letzte Quäntchen, das dann diese Spannungen löste, war das Wasser, das über das Bohrloch in das Gestein gedrückt wurde. Denn es vergrößert den Porendruck im Gebirge und es wirkt als Schmiermittel. Beides zusammen, aber auch jede Wirkung als einzelne, kann zu den Beben geführt haben. Und zwar zeitlich früher, als sie sonst auf natürliche Weise ohnehin aufgetreten wären. Solange die Beben im Mikrobereich liegen, sind sie auch gewollt und notwendig zur Öffnung des Gesteins als Wärmetauscher.

BZ: Stimmt also das Argument der Geothermie-Befürworter, durch die künstlichen Beben werde die Spannung im Untergrund von Basel abgebaut?
Brüstle: Richtig ist, dass jedes Erdbeben Spannungen abbaut. Aber durch einige kleine Beben kann man kein großes Beben verhindern. Große Beben beruhen nicht auf großen Spannungen, die man stückchenweise abbauen könnte. Große Beben sind Beben auf einer großen Bruchfläche. Bei der Magnitude 5,0 zum Beispiel ist die Bruchfläche hundertmal größer als bei Magnitude 3,0 und die Deformationsenergie 1000-mal größer. Deshalb bräuchte man theoretisch 1000 Magnitude-3-Beben, verteilt auf einer großen Fläche, um ein Magnitude-5-Beben zu verhindern. Das ist in systematischer Weise nicht machbar.

BZ: Hätten die kleinen Beben in der Addition ein großes Beben auslösen können?
Brüstle: Sie meinen in einer Art Dominoeffekt? Ausschließen kann man das nicht, aber eine solche Kettenwirkung ist noch nirgends beobachtet worden. Aus den vier stärkeren Basler Beben ist kein Indiz abzulesen, dass es sich um Vorbeben eines größeren Bebens handelt. Es besteht daher kein Grund zur Besorgnis.

BZ: Wenn aber die Experten schon nicht mehr als die Magnitude 3,0 erwartet haben, wie verlässlich sind dann deren Aussagen, dass die 4,0 kaum überschritten werden dürfte?
Brüstle: Letztlich hilft da nur eine quantitative Analyse, mit welcher Wahrscheinlichkeit Beben welcher Stärke ausgelöst werden können. Wissenschaftlich ist es unstrittig, dass die Wahrscheinlichkeit mit zunehmender Stärke kleiner wird. Ein Erdbeben mit der Magnitude 6,0 auszulösen ist äußerst unwahrscheinlich. Die Wahrscheinlichkeit dafür ist wohl nicht wesentlich größer als diejenige, mit der so ein Beben ohnehin auftreten könnte.

BZ: Aber Sie können es nicht ausschließen.
Brüstle: Nichts ist in der Richtung unmöglich. Deswegen handelt es sich um ein Restrisiko. Dass dieses Restrisiko sehr klein ist, daran gibt es keinen Zweifel. Es fragt sich nun in Basel, wie sich das quantifizieren lässt.

BZ: Dieses Restrisiko wird in Basel natürlich immer mit Blick auf das Beben vor 650 Jahren gesehen, das die Stadt stark zerstört hat. Kann so ein Beben wieder kommen und wann?
Brüstle: Das ist zunächst einmal die Fragen nach der natürlichen Eintrittswahrscheinlichkeit für ein Basel-Beben der Stärke wie das von 1356.

BZ: Und was kann man darauf antworten?
Brüstle: Man schätzt die Stärke des Bebens von 1356 auf 6,5 bis 6,9 auf der Richterskala. Es dürfte laut Schweizerischem Erdbebendienst im Mittel einmal in 2000 bis 3000 Jahre eintreten. Aber das ist eine rein statistische Aussage, aus der nicht hervorgeht, wann es wirklich wieder so stark beben wird. Zum Restrisiko der Geothermiebohrung in Basel gehört dann die Frage, ob sie so zu sagen den letzten Riegel vor so großen Erdbeben lösen, den letzten Anstoß dazu geben kann.

BZ: Hätte man die in Basel jetzt geplante quantitative Risikoanalyse nicht im Vorfeld erarbeiten müssen?
Brüstle: Nach dem, was ich gehört habe, liegen erst jetzt nach der Stimulation die speziellen Daten über die Beschaffenheit des Gesteins und die Ausbreitung des Wassers vor, die für eine erfolgreiche Analyse nötig sind. Eine solche Analyse ist wissenschaftliches Neuland.

BZ: War die Geothermiebohrung also eine Art Blindversuch?
Brüstle: Das kann man so nicht sagen. Aber man hat vorab keine Detailkenntnisse der tektonischen Spannungen und Deformationen am Bohrpunkt in der Tiefe. Doch man ist der Meinung, mit einem kontrollierten Vorgehen bei der Stimulation mögliche Schwierigkeiten rechtzeitig erkennen und damit das Ganze bis zu einem gewissen Grade steuern zu können.

BZ: Im Oberrheingraben nördlich von Basel gibt es ebenfalls Pläne für Geothermiekraftwerke, die das Hot-Dry-Rock-Verfahren anwenden wollen. Muss man auch dort Beben befürchten?
Brüstle: Nach Norden nimmt die Erdbebentätigkeit graduell ab. Entsprechend ist anzunehmen, dass die Wahrscheinlichkeit induzierter Erdbeben gleichfalls abnimmt. Magnitude 3 ist bei Hot-Dry-Rock-Verfahren aber auch hier möglich.

Hot-Dry-Rock-Verfahren

Es gibt Stellen auf der Erde, da reicht geothermisch erhitztes Wasser bis an die Oberfläche. Dies als Energiequelle zu nutzen, wirft weit weniger Probleme auf als das Hot-Dry-Rock-Verfahren. Denn hier muss im Oberrheingraben nicht nur ein bis zu fünf Kilometer tiefes Loch gebohrt werden, um an heißes Gestein zu gelangen. In dieser Tiefe fließt zudem kaum Wasser; daher muss es in die Tiefe gepumpt werden. Und damit es dort zum zweiten Bohrloch fließen kann, aus dem das erhitzte Wasser herausgeholt wird, muss das Gestein unter dem Druck des Wassers neue Spalten und Klüfte bilden. Genau dies löst Beben aus (Stimulation).

Auszug aus dem Antwortschreiben der Deutschen Geothermischen Vereinigung e.V. Bundesverband Geothermie zu den Risiken von Geothermieprojekten

Mit Genehmigung von Michael Krüger, deutscher Geothermiefachmann mit mehrjähriger Berufserfahrung.

Ich freue mich, dass Sie sich für die Geothermie und für eine objektive Auseinandersetzung mit
eventuellen Risiken interessieren.

Richtig ist, dass die Magnitude nur ein unzureichendes Maß für die Schadenswirkung eines Bebens ist, da die Tiefe des Bebens mit eine Rolle spielt. Die Tiefenangeben der Erdbebendienste sind zunächst meist mit erheblichen Fehlern behaftet, die allerdings oft nicht mit angegeben werden. Des Weiteren beziehen sie sich auf den Startpunkt des Bebens. Gerade große Beben starten oft in größerer Tiefe, dehnen sich dann aber bis zur Erdoberfläche aus, so dass auch dort noch irreversible Verschiebung zu beobachten sind (denken Sie an Fotos von versetzten Bahngeleisen, Erdspalten etc.). Bei kleineren Beben Kommen derartige Verformungen oft nicht an der Erdoberfläche an, diese verformt sich dann oft nur reversibel oder gar elastisch (linear. Die reversiblen Verformungen werden dann verspürt bzw. gemessen. Die beste Schadensbeurteilung ergibt dabei die Schwinggeschwindigkeit (Erste Ableitung des Schwingweges).

Soweit nun zur Teufenausdehnung eines Bebens. Wegen der logarithmischen Magnitudenskala wird die Tiefenerstreckung sehr unterschiedlich sein. Immerhin wird das (Basler) Beben 1356 auf eine Magnitude von 6,5 geschätzt, es wurde also etwa 30 000 Mal mehr Energie umgesetzt als bei dem Erdstoß 2006, dementsprechend ist da von einer größeren Tiefenerstreckung auszugehen. Mit Sicherheit hat es sich aber bis zur Oberfläche ausgedehnt.

Bei einer Wasserinjektion in 5 km Tiefe wird das Wasser allenfalls einige km weit fließen und in diesem Bereich die Reibungseigenschaften der Klüfte ändern. Nur hier kann also ein Beben getriggert werden, falls das Wasser eine mit Spannung aufgeladene Kluft erreicht. Wenn dort nun ein Beben der Magnitude 4,x entsteht kann sich dieses weiter ausdehnen, auch in die Tiefe und im ungünstigen Fall dort kaskadenartig weiter Beben auslösen. Wie wahrscheinlich oder unwahrscheinlich dies ist, kann niemand abschätzen. Wir wollen aber auch hier seriös bleiben und nicht einfach behaupten, dass dies unmöglich wäre.

Die mit dem Wasser (Volumen x Druck) eingegebene Energie ist um Zehnerpotenzen kleiner als die bei einem Beben (3,4) umgesetzte Energie. Diese Maßnahmen können demnach ein Beben nur triggern wenn ausreichend Spannungsenergie gespeichert wurde.

Zusammenfassung

Durch Fracking/Injektionen in geothermischen Tiefenbohrungen triggert man also natürliche Spannungen/ Beben am Ursprungsort, die im ungünstigsten Fall in der Tiefe kaskadenartig weitere Beben, auch stärkere Beben, auslösen können.

Geothermische Bohrungen werden, im Gegensatz zu Gas-/ Erdölbohrungen, idR in seismisch sehr aktiven Regionen abgeteuft, da diese geothermisch am ertragreichsten sind. Für mich ist aber nicht das Bebenaspekt der entscheidende, sondern die Unwirtschaftlichkeit der Tiefengeothermie.

In Deutschland muss man sehr tief bohren, einige tausend Meter tief, um eine Temperatur von über 100°C zu erreichen. Man benötigt Temperaturen, die über 100°C liegen, um mit dem in den Untergrund eingepumpten, erhitzen und wieder geförderten Wasser Turbinen anzutreiben und Strom zu erzeugen. Eine aufwendige Technik z.B. mit Ammoniak (NH3) als geschlossen zirkulierendes Wärmeträgermedium ist bei geringeren Temperaturen erforderlich, um die Wärme aus den Untergrund nutzen zu können. Nur wenige Standorte in Deutschland sind überhaupt zum Bau eines geothermischen Stromkraftwerkes geeignet. U.a. der obere Rheingraben und einige Standorte in Süddeutschland sind hier zu nennen.

Die Erträge, die aus solchen geothermischen Tiefenbohrungen gewonnen werden, sind hingegen sehr gering. Nur wenige MW elektrischer Energie und ein- bis zweistellige Werte im MW-Bereich, als nutzbare Wärmeenergie. Und das bei Investitionskosten im zweistelligen Millionen-Bereich. Die Wartungskosten solcher Anlagen sind auch nicht gerade gering. Es gab auch eine Reihe von Fehlschlägen.

Zur Versorgung des Bremerhavener Alfred Wegener Institut (AWI) war eine solche Anlage geplant. Die Bauarbeiten wurden aber inzwischen eingestellt und das Projekt stillgelegt. Weitere Projekte wurden stillgelegt, gestoppt, eingestellt. U.a. das Projekt in Basel. Geplant wurde auch an einer Pilot-Anlage zur Versorgung des Geozentrums Hannover (Projekt GeneSys, was kläglich gescheitert ist).

Siehe auch: http://www.freiburg-schwarzwald.de/geothermie

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  1. am 27. Juli 2013 um 15:05