Die Römer, kurz vor dem Ende eines Weltreichs

Der Weg zum Heil des heiligen römischen Reiches

Rom/ Berlin, ca. 400 n. Chr. Der Wahlkampf für den im späten Herbst zu wählenden Senat beginnt gerade in die heiβe Phase einzutreten. Der Tradition entsprechend betätigen sich die wichtigen Parteien als Hauptsponsoren der vielversprechendsten Pferderennställe im Circus Maximus, was sie durch Wahl entsprechender Symbole und Farben kundtun.

Auf ihrem soeben beendeten Parteitag hat die Partei des roten Rades verkündet, dass sie in dieser Saison erneut mehr Brot und Spiele (altrömisch Hartzum et Fuβballum) ins Zentrum ihrer Forderungen rücken wird. Zudem bekräftigt sie ihre altbekannten Forderungen, dass man sämtliche Patrizier endgültig enteignen und ihnen lediglich gestatten solle, auf den von ihnen bisher selbstherrlich geführten Getreidegütern als bloβe Verwalter unter sachkundiger Führung durch vom Senat ernannte Verwalter ehrliche Arbeit zu leisten.

Bezüglich des überall zu verspürenden Rückgangs an Arbeitskräften bekräftigt die Partei des Roten Rades, dass es an der Zeit sei, die Grenzen des Imperium Romanum weiter zu öffnen und den dort siedelnden unruhigen Völkern zu gestatten, in unbegrenzter Zahl zu uns zu kommen. Dies werde ihre Unruhe dämpfen, zudem würden die bei uns zivilisierten Teile dieser Völker tatkräftig daran mitwirken, das Imperium gegen ihre ehemaligen Volksangehörigen zu verteidigen. Zum Hauptmann der Wahlschlacht bestimmte die Partei den erfolgreichen Zirkus-Wagenlenker und Feldherrn der Kavallerie Petrus Pontus (altrömisch für Brücke aus Stein), der bereits in der Vergangenheit gezeigt hatte, wie man sich bei manchen unverschämten Nachbarn im Süden Respekt verschafft.

Die Partei der noch viel röteren Räder macht derweil vor allem mit der Forderung mobil, das Patriziertum gänzlich abzuschaffen und die Getreidegüter vollständig an die Plebejer zu verteilen. Einwände, diese Methode habe sich in den Ostprovinzen bereits vor Jahren als katastrophaler Irrweg erwiesen, werden unwirsch beiseite gewischt.

Bei der Partei des Grünen Weges unter ihrer Leitfigur Claudia Rossa hält man daran fest, dass es entscheidend darauf ankomme, den Gebrauch des Feuers weiter einzuschränken. Fleisch zu verzehren sei unnötig, und statt Brot könne man genauso gut auch den vom Militär her bekannten und beliebten Vulgus – den Brei aus gequetschten Getreidekörnern – konsumieren. Eisern festhalten will man dort in jedem Fall an dem vor einigen Jahren aus Ägypten übernommenen Brauch der dreiflügeligen Windgebetsmühle. Hoch über die Dächer herausragend, befinden sich in ihrem Inneren riesige Gebetsmühlen. Statt wie früher die Reichtümer der Nation für sinnlose Pyramiden zu verschwenden, die nur einer kleinen Schicht von Pharaonen und ihren Schranzen zugutekämen, sei es viel sinnvoller, im ganzen Land Bürgerdrehkreuze zu errichten, damit jeder selbst den Weg zur ewigen Glückseligkeit finden könne. Um die Frömmigkeit des Volkes noch zu steigern, empfehle es sich, Wettbewerbe zu veranstalten, welche Gemeinde die gröβten, schönsten und stärksten Gebetsmühlen errichten könne. Für die Häretiker und Ketzer, welche sich der neuen Religion immer noch hartnäckig widersetzen, seien diese Drehkreuze auch genau das richtige Mittel, um sie – mit zwei gespreizten Armen und übereinandergelegten Füβen über die Nabe genagelt – luftiger Höhe dem Zorn des Herrn zu überlassen.

Die Partei des schwarzen Kreuzes unter Führung ihrer bestens bewährten Oberwagenlenkerin Groβe Mutter (Matrona Augusta) hält sich bezüglich ihrer Parolen noch etwas zurück. Die Groβe Mutter will wahrscheinlich wie bereits in der Vergangenheit zunächst die anderen Wagenlenker dazu bringen, ihre Pferde müde werden zu lassen, bevor sie dann von hinten mit unwiderstehlichem Schwung zu ihrem bestens bewährten Manöver ansetzt: Sie wird sie allesamt an der linken Bande überholen, um sie am nächsten Mauerende abzudrängen und als wirren Haufen ineinander verkeilter Pferde und Wagentrümmer zurückzulassen.

Es dürfte wieder eine spannende Rennsaison werden!

Fred F. Mueller

 

 

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