Biologische Nahrungsproduktion, grüne Stromproduktion und andere sinnlose Modeströmungen

Nina Federoff in der NZZ vom 26. Februar:

„Pardon, das ist verrückt“

Nina Federoff wurde von Andreas Hirstein zu Sinn und Unsinn von biologischen Nahrungsmitteln befragt. Die amerikanische Pflanzenbiologin und Präsidentin des grössten Wissenschaftsgesellschaft der Welt AAAS war auch als wissenschaftliche Beraterin von Condoleezza Rice tätig. Im Interview äussert sie sich kritisch zur Produktion und Konsum von biologisch hergestellter Nahrung.

„Die Zusammensetzung von Bioprodukten unterscheidet sich nicht von konventionell produzierten Lebensmitteln. Bioprodukte sind nicht besser. Der Erfolg der Biolandwirtschaft beruht auf Weltanschauungen, nicht auf wissenschaftlichen Fakten.“

„Die Biolandwirtschaft ist weniger effizient, wenn sie eine Sekunde darüber nachdenken, können Sie das verstehen: Wenn Sie einen Sack Dünger kaufen, müssen sie kein Land freihalten, auf dem Sie Futter für Tiere produzieren, deren Dung Sie anschliessend auf den Feldern ausbringen. Deswegen braucht die Biolandwirtschaft viel grössere Flächen – sie ist ungefähr nur halb so effizient wie die konventionelle Landwirtschaft.“

„Die Leute können tun, was sie wollen. Aber wenn wir heute 7 Milliarden Menschen auf dem Planet ernähren wollen, dann gibt es nicht genug Land auf der Erde, um alle mit Bioprodukten zu versorgen. Wenn die Bioproduktion besser für die Gesundheit wäre, dann müssten wir die Produktivität davon steigern. Doch das ist sie nicht!“

Die ideologische Verwandschaft mit „Grünem Strom“

Was hat dieser Auszug eines Interviews auf einem Blog für Energiefragen verloren? Der Grund dafür ist einleuchtend: Die rein ideologische Bedeutung von Biologischer Nahrungsproduktion hat eine Zwillingsschwester: Sie heisst „Grüne Stromproduktion“. Mit den genau gleich unbegründeten, wissenschaftlich faktenlosen „Grünen Energie“ haben wir dasselbe Problem.

Sie taugt zu nichts Anderem als der ideologischen Befriedigung von stark beworbenen, oberflächlich denkenden, viel zu reichen 10% Menschen, die darin den letzten Kick für ein langweilig gewordenes Leben finden. Auch die sogenannte „Grüne Energie“ ist bei genauerem Hinsehen einfach Energie, die besonders ineffizient und umständlich umgewandelt worden ist. Anstelle der effizienten Energieumwandlung in Grosskraftwerken wird jedes Tröpfchen Wasser, jedes Lufthäuchchen und jedes Lumen Sonne mühsam aufgefangen und unter Zuhilfenahme komplexester Technologieen und minderwertiger Wirkungsgrade in eine andere Form von Energie – meistens Strom – gebracht. Wegen der systemischen Stochastik der alternativen Energiequellen kommt an den Steckdosen in Zürich, Basel und Genf im besten Fall 50% des ursprünglich produzierten Stroms an. Die Differenz wird grosszügig angereichert mit konventionellem Strom und die Rechnung von der EWZ enthält selbstverständlich den ursprünglich in Italien oder sonstwo hergestellten 100% grünen Strom. Eine ganz neue Form von finanzieller Absolution – ähnlich sinnvoll wie der Besuch beim Beichtvater ohne die anschliessende Umsetzung der erhaltenen Ermahnungen.

Wenn das schon alles wäre …

Die Grünstromlobby, die sich damit vor allem Prestige, ein grünes Image und nicht zuletzt einen grösseren Gewinn verspricht, scheut sich nicht im geringsten, diesen Strom durch Zertifikate, konstruierter Vorschriften und lahmer Tests noch etwas grüner erscheinen zu lassen. Wie auch bei der Biologischen Nahrungsproduktion wundert sich nur, wer die Sache etwas genauer liest:

Naturmade Star Bedingung für Windkraft:Aufgrund der Selbstbeschränkung des Verbandes Suisse Eole, Windkraftanlagen nur auf jenen Flächen zu errichten, die gemäss dem Konzept Windenergie Schweiz“ als umweltverträglich bezeichnet werden, kann dieses Kriterium in der Schweiz in der Regel als erfüllt postuliert werden.

Gäbe es keinen Natur-Kautschuk, er wäre hiermit erfunden: Das Wort „umweltverträglich“ kommt im erwähnten „Konzept Windenergie Schweiz“ nicht vor. Die darin eh schon schwabbelig formulierten Grundlagen werden mit Füssen getreten und äusserst sinnfrei interpretiert. So empfiehlt die „Suisse Eole“ auf der gleichen Gummiunterlage einen Abstand von generell 300 Metern zu bewohnten Gebäuden. Ein Abstand, der in keinem europäischen Land so kurz empfohlen wird. Liest man nun noch den Methodenbericht über die Entstehung des erwähnten „Konzept Windenergie Schweiz„, belegt sich die eigentliche Aussage von „300 Meter Abstand bei 70 Meter Nabenhöhe„. Auch bei genauer Auslegung des Konzepts sind die Abstände immer noch viel zu gering, aber immerhin etwas erträglicher. Der geforderte Abstand zum Wald von 50 Metern wird kaum je eingehalten und rechnet sich in der Auslegung der Windradlobby ganz selbstverständlich vom Mast der Turbine aus, weil das ja nicht klar definiert worden ist. Der Ursprung der 4,5 m/s Mindestwindgeschwindigkeit für Standorte von Windkraftanlagen bleiben sogar eingefleischten deutschen Windradprofis ein unlösbares Rätsel.

Gleich abenteuerlich wird der statistische Stromverbrauch der Haushalte nach System „Suisse Eole“ gerechnet. Da wird nur 60% des statistisch belegten Werts ausgewiesen, damit es in der Schweiz jeweils etwas mehr mit Windstrom beglückte Haushalte gibt.

Kritiker kriegen keinen Lohn und keine Subventionen

Diese Interpreten, die also beim Parkieren ihres Autos konsequenterweise auch nicht auf die Spiegel und Ecken ihres Autos, sondern auf die Position des Aschenbechers in der Mittelkonsole achten müssten, dürfen sich auf die Zertifizierung der Price Waterhouse Coopers abstützen. Das ist für niemand ein juristisches Problem, denn alle Bestimmungen können so ausgelegt werden, wie man gerade Lust hat. Fair ist, dass ich das ja auch dürfte. Mein Problem ist nur, dass ich beim Lügen so schrecklich rot werde und sich die Aneignung dieser speziellen Lebensphilosophie in meiner Situation nicht in Bares ummünzen lässt. Kritiker kriegen keinen Lohn, kein GA-Abonnement und keine Subventionen zugesprochen. Sie stehen bestimmt auch nicht auf der geheimen Gehaltsliste der Windradhersteller.

Die Grundlagen werden so konstruiert, dass es passt

Bei der zugrundeliegenden „wissenschaftlichen Diskussion“ des „Vereins für umweltgerechte Elektrizität“ sieht es nicht besser aus. Ein typisch pseudowissenschaftliches Gefälligkeitsgutachten, das unter dem Einfluss der Windradlobby geschrieben wurde, ist das Papier „Globale Umweltkriterien für Ökostrom„. Ein Ausschnitt aus dem Dokument:

„6.2 Windkraftwerke: Nicht bewertet werden mit dem Eco-indicator 99 Einflüsse auf das Landschaftsbild und Lärmemissionen der Anlagen. Diese Auswirkungen können über die lokalen Kriterien erfasst werden.

Genauso wenig werden andere systemische Nebeneffekte einer fehlgeleiteten grünen Energieproduktion behandelt. Als Beispiel sei hier nur die 98%-ige Stützung der installierten Nennleistung aller Windkraftwerke durch Kern- Gas- Kohle- und Ölkraftwerke erwähnt. Sie findet einfachheitshalber in der Betrachtung des „Vereins für umweltgerechte Elektrizität“ gar nicht statt.

Das Ausblenden wichtiger Fakten hat in der Schweiz System. Auch die „Schweizerische Energiestiftung“ hat auf dem rechten Auge grosse Scheuklappen montiert, wenn es um die Frage nach der Schädlichkeit von geringen Mengen radioaktiver Strahlung kommt. Man macht lieber weiterhin den Eltern Angst mit pseudowissenschaftlichen Schauermärchen über drohende Krebserkrankungen von Kindern in der Nähe von Kernanlagen. Die aktuelle Studie „CANUPIS“ des Bundesamtes für Gesundheit, welche einen Zusammenhang kategorisch ausschliesst, wird derweil gerne ignoriert.

Der Mensch will betrogen werden, weil er die Welt nicht erträgt, wie sie ist

So kaufen all diese Erde rettenden Menschen unter Zuhilfenahme einer Absolutionszahlung mit dem Namen „Grüne Energie“ ein Produkt, das ganz ohne griffige Bedingungen als „zertifiziert“ und mit dem notwendigen Hauch an Wissenschaftlichkeit daherkommt. Sie bekommen die Hälfte der versprochenen Produkts, das – wie bei den biologischen Nahrungsmitteln auch – von konventionell hergestellten Produkten nicht unterschieden werden kann. In verschiedenen europäischen Ländern stossen die gleichen Praktiken der biologischen Nahrungsproduktion auf harsche Kritik. Der grosse Skandal wurde kurze Zeit in allen Headlines der Medien geführt. Wenn beim grünen Strom auf dieselbige Art geschummelt wird, interessiert das niemanden.

Lassen sie sich gerne betrügen? Vielleicht bei einer Promotionsfahrt für Heizdecken mit einem dafür gemieteten Busunternehmen? Sie haben Glück und benötigen heute nur noch ein spezielles Stromabonnement der EWZ oder irgend eines anderen Anbieters von „grünem Strom„: Doppelt bezahlen und dafür das Gleiche erhalten, wie der budgetbewusste und genauso naturschützende Nachbar! Dafür erhalten sie zusätzlich das kostbare, unbegründete und wunderbare Gefühl, etwas Gutes für die Welt getan zu haben. Lassen Sie sich das von mir auf keinen Fall wegnehmen!

Es gäbe schon ehrliche, grüne Energie …

Es wäre problemlos möglich, ehrlich grüne Energie anzubieten und herzustellen. Dazu müssen die Kriterien aber erst einmal griffig, genau und realistisch daherkommen. Windräder, wo es keinen Wind gibt, Wasserkraftwerke in Rinnsalen, wirkungslose Sonnenkollektoren, wo es keine Sonne hat, ausgeblendete Schäden an Landschaft, Lebensraum und Natur, extreme Ineffizienz durch falsche Marktanreize: Das ist nicht die Basis einer grünen Stromversorgung. Wer Geld mit grüner Energie verdient, wird niemals in der Lage sein, objektive Lösungen anzubieten. Er wird immer nur seinen ganz eigenen Vorteil herauszuschinden versuchen. Das ist menschlich.

Unabhängige Umweltschützer, praktische Techniker und pragmatische Politiker müssen sich zusammenraufen und den Herstellern sinnvolle Bedingungen aufzeigen. Dann kann es gut kommen. Wir sind noch nicht einmal beim Start dieses Prozesses…

Verzeihen Sie mir zum Abschluss die flexible, leichte Abänderung des Zitats von Nina Federoff:

„Die Leute können tun, was sie wollen. Aber wenn wir heute 7 Milliarden Menschen auf dem Planet mit grünem Strom versorgen wollen, dann gibt es nicht genug Land auf der Erde, um alle damit zu versorgen. Wenn die Grüne Energie besser für die Menschen oder die Natur wäre, dann müssten wir die Produktivität davon steigern. Doch das ist sie noch nicht!“

Als Ergänzung empfehle ich folgenden Artikel: Wind- oder Sonnenkraft – was bringt mehr nutzbare Energie?

Nina Federoff in der New Yor Times:

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